Belize, das kleinste Land Mittelamerikas
Über Rum, Mayas und was Belize mit der deutschen Sprache zu tun hat
“Good morning Sir” sagt der Grenzer kurz hinter Chetumal, dem verkommenen mexikanischen Grenznest, zu mir. Tut gut! Nachdem ich ein halbes Jahr mit meinem radebrechenden Spanisch, quer durch Mexico gefahren bin, ist es wie „coming home“ eine Sprache, die ich verstehe, im Ohr zu haben. Seit San Diego das erste Englisch wieder und dazu das freundliche, tiefschwarze Gesicht von Mister Webster, dem Chef der Grenztruppe. Dessen Augen blitzen und funkeln unter einer Rastamähne – echte black eyepeas. Belize, das einzige Land Zentralamerikas, welches einmal britische Kolonie war und das heute, wohl sehr zu seinem Vorteil, fest im Commonwealth verankert ist. Von der wechselvollen Geschichte zeugen dann auch so lustige Namen wie Spanish Loockout oder Orange Walk und Middlesex. Übersetzten – kann man das nicht.
Der Rum
Zuckerrohr – daraus sollen sie einen guten Karibikrum brennen, die Nachkommen der afrikanischen Sklaven. Negrita – den Negerrum. Damals ein minderwertiges, billiges Mittel, um die Sklaven ruhig zu halten. Heute ist es selten geworden und teuer, das Getränk der schwarzen Macheteros.
“Und Sie wollen wirklich Zuckerrohr schlagen?” Ungläubig schaut Graham Young, der Herr über 450 ha Zuckerrohr, durch seine Goldrandbrille. Sein Büro ist groß, wuchtig aus viktorianischer Zeit, mit alten Fotos von der Arbeit am Zuckerrohr dekoriert und gepudert, mit dem Staub der Jahrzehnte. Eine Nostalgie in schwarz – weiß. Der Bleistift knallt auf die Eichenholzplatte das die Fliegen, die sich eben noch am verkleckerten Zuckersaft gelabt hatten, auf und davon schwirren. Und mit einem wissenden, grinsenden Unterton in seiner Bassstimme sagt der Big Boss der Plantagen: “Ok, wenn Sie sich durchaus umbringen wollen, melden Sie sich morgen früh 6:00 Uhr – bei Jesus.”
Bei Jesus also. Wenn er nur nicht eine solche Pranke hätte, die sich wie ein Schraubstock um meine Hand legt und diese zusammenquetscht. Das “Wellcome” klingt nicht freundlich und geballtes Misstrauen schlägt mir an meinem neuen Arbeitsplatz entgegen. Ein Gringo, ein Weißer, will Zuckerrohr schlagen? Wer weiß schon, was der wirklich will? Und so wird dann der erste Arbeitstag die Hölle, welche mir Mr. Young prophezeit hatte. Die Sandfliegen scheinen mit hundsgemeiner Genauigkeit immer und immer wieder mich zu treffen. Das Abbrennen des Feldes vertreibt die Biester dann auch nur für kurze Zeit. Aber die Schlangen, die angeblich zu Tausenden hier sind, sollen das Weite gesucht haben, sagt Jesus und haut unbarmherzig auf das Zuckergras ein. Es ist das Zeichen für alle, für Josh, für Piet, für Jim und auch für mich die Machete zu schwingen und mit einem Hieb das Zuckerrohr zu fällen. Eigentlich wollte ich, von aberwitzigem Ehrgeiz getrieben, mit den Männern mithalten und nebenher noch Fotos schießen. Doch davon ist jetzt, ein paar Stunden später, keine Spur mehr. Ich hänge um Längen hinter allen her und habe reichlich Blasen an den Händen. Obwohl ich mich redlich mühe, bring ich die Stängel einfach nicht mit einem Hieb ab. Zwei, manchmal dreimal muss ich zuschlagen, um die ach so zähen Stangen um zu hauen. Ein genauer Blick auf meine Machete klärt mich auf. Das also hatte Mr. Young gemeint, als er sagte: “Wenn sie sich umbringen wollen.” Diese misstrauischen Kerle hatten mir ein Messer gegeben mit dem ich vielleicht noch Butter hätte schneiden können – mehr aber auch nicht. Der Tag ist unter dem hämischen Grinsen meiner neuen Kollegen endlich vorüber gegangen und wir ziehen gemeinsam in unsere Unterkunft. An einem Feuer wird dann gegessen, getrunken und gelacht. Nur ich, ich bin stocksauer. Sauer auf mich, weil ich mich auf diesen Blödsinn eingelassen hab, sauer auf Jesus der mir die stumpfe Machete gegeben hat und sauer auf die, welche mich im Widerschein des Feuers unverhohlen angrinsen. Vor lauter Wut besinne ich mich meines alten Berufes Werkzeugmacher und eines Sensensteins, der aus unerfindlichen Gründen seit langem in meinem Auto herumliegt. Also, die Machete ins Feuer, rotglühend und dann im kalten Wasser abschrecken. Gehärtet! Jetzt, wie in Großvaters Zeiten mit dem Schleifstein langsam, mühselig und die Blasen an den Händen verfluchend, die Machete scharf schleifen. Ich bin ganz vertieft in meine ungewohnte Arbeit als ich den Druck des Schraubstocks, diesmal auf meiner Schulter, spüre. Jesus! Ich sehe in ein breites, schwarzes gutmütiges Lachen und dann die sonore Stimme, wie aus einem Hollywoodfilm „ come on, strong German “. Mit dem Griff auf meiner Schulter habe ich auch kaum eine Wahl. Also trotte ich neben ihm her und der Hüne Jesus überreicht mir eine Machete, nagelneu, sauscharf und das beste – nur für mich!
Das Eis ist gebrochen. Plötzlich sind alle nett. Mir wird gezeigt, wie man die Machete führt, ohne sich ins Bein zu hacken, was dann trotzdem noch passierte. Ich bekomme eine Salbe gegen diese Biester, die mein Blut wollen und ich kann ohne zu fragen meine Kamera benutzen. Wir sind alle gleich. Wir schuften zusammen, wir essen und schlafen zusammen und ich, ich lausche ihren Geschichten, die man glauben kann oder auch nicht.
Zwei Wochen war ich im Zuckerrohr. Zwei Wochen die ich mit 40 Männern unter dem Dach einer Baracke verbracht habe. 40 Mann auf 100 qm schlafen, kochen, leben. Das Gemisch der Gerüche unter der Tropensonne besteht aus Schweiß, Urin, Essen und Schnaps. Gewöhnungsbedürftig – und trotzdem, diese rauen Gesellen sind liebenswert und jetzt, da der Abschied naht, beschleicht mich ein wehmütiges Gefühl. Aber so einfach darf ich dann auch nicht gehen, es muss ein Fest her, für meinen Abschied. Das wird großartig – die Frauen kommen mit Essen aus dem Dorf. Aus den Gettoblaster röhrt Peter Tosh und der Negritarum wird mit jedem Schluck süffiger. Am Ende der Nacht habe ich drei Dinge gelernt: Haile Selassi ist nicht tot, Reggae ist eine Religion mit Bob Marley als Pabst und Zuckerrohrschnaps macht einen schweren Kopf. Das, aber erst am nächsten Tag.
Die Maya
Unheimlich, ein wenig unheimlich zumindest ist mir schon. Nachts, allein, mitten im Dschungel nahe der Grenze zu Guatemala. Man soll es ja auch nicht tun, so verrücktes Zeug, was ich da gerade mache. Allein auf einer Pyramide der alten Mayastadt Caracol übernachten. Das schaurig schöne Gefühl stellt sich mit der Dämmerung und dem Geschrei der Brüllaffen ein. Sie sitzen in den Bäumen, keine 10m von mir entfernt und sind doch im Zwielicht kaum auszumachen. Erst ein paar hinterlistig ausgelegte Früchte bringen dann die Vorwitzigsten von ihnen aus dem Blätterdach, das dicht genug ist, den Rest der schwarzen Bande vor mir zu verbergen. Hungrig scheinen sie zu sein und futterneidisch, so das sich eine lustige Rauferei um die Bananen, bar ihrer sonstigen Vorsicht, vor meinen Augen abspielt. Mit dem letzten Sonnenstrahl, es wird sehr schnell dunkel hier am 16ten Breitengrad, verschwinden die Raufbolde in der Krone des Würgefeigenbaumes. Nun bin ich wirklich ganz allein, mit meinem Feuer, der Angst und einer Flasche Rum, für ein wenig mehr Mut. Es ist schon ein launisches Ding die menschliche Einbildung. Quetzalcoatl, die gefiederte Schlange, mag wissen wohin sie sich noch verirren wird, heute Nacht.
Menschen haben sie das Herz herausgerissen, es ihren Göttern noch schlagend dargeboten, das Opfer gehäutet, um in dieser Haut einen Fruchtbarkeitstanz aufzuführen – die Priester des Huracan und des Capracan. Sie baten um Regen, gute Ernte und günstige Zeichen für den Fortbestand ihres Stadtstaates. Dabei waren sie hochgebildet, Mathematiker, Astronomen und gute Baumeister. Doch Kriege und Klimaverschiebungen, verbunden mit Ernteausfällen, ließen diese Kultur auf ihrem Höhepunkt zusammenbrechen. Viele der Städte aus der Blütezeit der klassischen Mayaperiode waren schon verlassen und verfallen, noch ehe die Spanier eintrafen. Diese vernichteten mit dem Schwert, mit Feuer und Seuchen Menschen und Kunstwerke. Kümmerliche Reste, der einst so umfangreichen Maya Bibliotheken, sind erhalten. Ein Stück liegt in Dresden, der Mayacodex Dresdensis, ein Schatz der Uni. Nur drei weitere Originale haben den Vernichtungswahn überstanden und liegen heute in Tresoren in Madrid, in Paris und Mexico-City.
Dann ist sie da in meiner Einbildung, meiner Phantasie, welche berauscht vom Rum mit Zitrone, Dinge vorgaukelt. Sie beginnen im Schein der Flammen zu zucken, zu tanzen. Erst die Schatten der zum Fürchten ausschauenden Steingötzen dann kommen sie, die Krieger im Federschmuck, die Priester und Gottkönige. Sie umrunden den Tempel auf der Spitze der Pyramide und verschwinden, dem erlöschenden Feuer sei Dank, in der Dunkelheit der Tropennacht. Mir sind die Augen zugefallen und als ich aufwache, ist heller Tag – der Spuk ist verschwunden.
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Das Deutsch und die Mennoniten
“Gaudn Morrn” – guten Morgen, das Deutsch aus dem Mund von Georg Reimer klingt, selbst für sächsische Ohren, denen komische Mundarten nicht so ganz fremd sind, recht seltsam. Aber, der Mann spricht deutsch als Muttersprache. Du kommst aus dem Land der Märtyrer stellt Georg sachlich und ruhig fest, nachdem er den großen Aufkleber „Alemania“ an der Windschutzscheibe meines Landrover, etwas mühsam, entziffert hat. Deutschland – für die meisten der Altkolonisten unter den Mennoniten, hier am Blue Creek, noch immer das Land in dem sie verfolgt werden. Ausreden, kann man es ihnen nicht. Sie folgen ihrem Glauben und der ist unerschütterlich. Georg, eine Art Dorfvorsteher, ist mit ein paar Männern gerade dabei in der Sägemühle Bretter herzustellen. Angetrieben von einem Pferdegöpel, in dessen Mitte ein 10 jähriger Junge die Peitsche schwingend steht, frisst sich die uralte Gattersäge ratternd durch das Tropenholz. Wir erledigen alle Arbeiten mit dem Vieh, sagt Georg und versucht dabei das Gekreisch der Säge zu übertönen. Ich stehe ein wenig nutzlos umher, so das mir einer der Männer einen Haken in die Hand drückt und ich so, völlig wortlos, zum Mitarbeiten verdonnert werde.
Gastfreundlich sind sie, die Mennoniten in Belize. Auf meinen Arbeitseinsatz erfolgt die Einladung zum Avendbroot – dem Abendessen. Ich komme dabei in arge Verlegenheit als der Hausherr sagt: “Peter du bist unser Gast, sprich bitte das Tischgebet”. Mein letztes Gebet vorm Essen muss vor 40 Jahren gewesen sein und so kommt ein holpriges Etwas über meine Lippen, welches mit den Worten: „und segne, was du uns bescheret hast“ endet. Die ganze Familie ist zum Essen in der riesigen Küche versammelt. Es riecht gut und der Topf, groß wie ein Waschkessel, dampft verheißungsvoll. Es gibt Eintopf und Schwarzbrot, richtiges Sauerteigbrot das ich so lang vermisst habe. Alles ist bio, ganz einfach und richtig lecker. Die Mädchen, es sind derer vier, haben züchtige Häubchen auf dem Kopf, die sie vor der Tropensonne schützen sollen – und vor der Versuchung. Die fünf Knaben, welche zur Familie gehören, müssen schnell zu Männern werden. Arbeit ist viel auf einem Hof wo alles, wirklich alles per Hand erledigt wird. Technik? Ein Teufelswerk! Selbst mein Angebot, eine kranke alte Frau mit dem Auto in die Stadt zu fahren, wird erschrocken abgelehnt. Im Pferdefuhrwerk, auf Stroh gebettet und eine Reisedauer von zwei Tagen bis zum Arzt. Sie stirb noch unterwegs – es war wohl Gottes Wille.
Sie sind vor reichlich 70 Jahren nach Belize gekommen und wähnen sich endlich am Ende ihrer 250 jährigen Wanderung. Doch den Verlockungen des modernen Lebens konnte ein Teil von Ihnen dann doch nicht widerstehen. So spaltet sich die Mennonitengemeinde heute auf, in die, welche wie Georg, noch immer streng nach dem Regeln ihres Gründers leben, alles moderne ablehnen und sich so selbst immer mehr in die Isolation treiben. Und denen die zwar ein sehr christliches, aber der Moderne zu gewandtes Leben führen. Genau da aber liegt die Gefahr, während die Einen durch Abschottung und Inzucht sich selbst dezimieren, heben die Anderen durch ihren Fleiß sich materiell deutlich vom Lebensstandard des Landes ab. Die Weitsichtigen unter ihnen befürchten, sicher nicht zu Unrecht, das der Neid auf das Erreichte sie eines Tages wieder vertreiben wird. Aus der gerade erst gefundenen Heimat.
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